JUVENILE IDIOPATHISCHE ARTHRITIS

Kriterien für Abgrenzung zu Tumorerkrankungen

Bei Kindern und Jugendlichen können auch maligne Erkrankungen muskuloskelettale Beschwerden verursachen und somit zunächst falsch als eine juvenile idiopathische Arthritis (JIA) diagnostiziert werden. Jenseits einer verzögerten Diagnose kann bei Vorliegen eines Malignoms zudem eine Therapie der vermeintlichen JIA mit Glukokortikoiden (GK) oder Immunsuppressiva die Prognose verschlechtern. Nachdem es bislang an prospektiven Studien zur Unterscheidung muskuloskelettaler Symptomen bei pädiatrischen Malignomen und JIA mangelte, fahndeten nun italienische Experten um Adele Civino, Lecce, in der Querschnittstudie ONCOREUM nach möglichen Abgrenzungskriterien.

In die Studie wurden an 25 pädiatrischen Zentren mit Schwerpunkt Hämatoonkologie und 22 Zentren für pädiatrische Rheumatologie zwischen den Jahren 2015 und 2018 insgesamt 1.957 Patienten <16 Jahre mit neu diagnostizierten Malignomen (n=1.277; 65 %) oder einer neu diagnostizierten JIA (n=680; 35 %) prospektiv eingeschlossen (eine Vorbehandlung mit GK, d. h. oralem Prednison bzw. Äquivalent >1 mg/kg/Tag für ≥2 konsekutive Wochen, war ein Ausschlusskriterium). Primäres Studienziel war die Beschreibung sowohl der Häufigkeit als auch Charakteristika muskuloskelettaler Manifestationen bei Tumorbeginn. Zusätzlich sollten mittels multivariater logistischer Regressionsanalyse Faktoren identifiziert werden, die zur Unterscheidung zwischen Malignitäten mit Arthropathien (mit oder ohne muskuloskelettalen Symptomen) und JIA herangezogen werden könnten.

Im Ergebnis hatten von den Tumorpatienten 64 % Leukämien bzw. Lymphome und 36 % solide Tumoren. Bei den JIA-Patienten fand sich zu 65 % eine Oligoarthritis, 19 % eine RF-negative Polyarthritis, 8 % eine systemische JIA und die restlichen 8 % wiesen eine andere Arthralgie bzw. Arthropathie auf.

Muskuloskelettale Beschwerden wurden bei 324 (25 %) der Tumorpatienten verzeichnet, eine Arthropathie wurde bei 207 festgestellt. Besonders oft handelte es sich um Schmerzen in Gelenken (61 %), gefolgt von solchen in den Knochen der Extremitäten (35 %), die am häufigsten bei Knochentumoren (80 %), Langerhans-Zell-Histiozytose (47 %), Leukämien (32 %), Weichteilsarkomen (24 %) und Neuroblastomen (19 %) auftraten. Bei 5 bzw. 12 % der Patienten mit Leukämie respektive soliden Tumoren waren dies die einzigen Symptome. Bei den 207 Tumorpatienten mit einer Gelenkbeteiligung zeigte sich zu 48 % ein monoartikuläres, zu 42 % ein oligoartikuläres (2-4 Gelenke) und zu 20 % ein polyartikuläres (>4 Gelenke) Muster. Die am häufigsten betroffenen Gelenke waren die Hüfte
(43 %) und Knie (39 %).

Tatsächlich war bei immerhin 12 % der Tumorpatienten mit muskuloskelettalen Symptomen zunächst eine rheumatische Erkrankung wie transiente Synovitiden der Hüfte oder eine JIA diagnostiziert worden. Vor allem Neuroblastome, eine Langerhans-Zell-Histiozytose, Lymphome und akute lymphoblastische Leukämien waren zunächst als juvenile Arthritis fehldiagnostiziert worden.

Es zeigte sich in der Studie, dass Morgensteifigkeit, Symptome in Knien und/oder Knöcheln (symmetrisch) und Handgelenken (symmetrisch) und polyartikuläre Symptome in den oberen und unteren Extremitäten häufiger durch eine JIA als durch Malignitäten verursacht wurden.

Eine multivariate Regressionsanalyse ergab, dass Knochenschmerzen in den Extremitäten die am stärksten mit Malignomen assoziierte unabhängige Variable waren (Odds ratio, OR 87,8), gefolgt von Gewichtsverlust (OR 59,8), Thrombozytopenien (OR 12,7), monoartikulären Beschwerden (OR 11,3), Hüftschmerzen (OR 3,3) und männlichem Geschlecht (OR 2,4). Als unabhängig mit einer JIA assoziierte Faktoren wurden Morgensteifigkeit (OR 0,04), Gelenkschwellungen (OR 0,03) und eine Beteiligung kleiner Handgelenke (OR 0,02) identifiziert.

Kompakt: Die häufiger bei Tumorerkrankungen als JIA auftretenden Merkmale könnten pädiatrischen Rheumatologen Anhaltspunkte für die korrekte Differenzialdiagnose geben und dabei helfen, die Rate initialer Fehldiagnosen von ca. 12 % zu senken.

Quelle: Lancet Rheumatol 2021; 3(7): e507-e516